Die Hungerplan-Konferenz - Die Neuordnung Europas und der Vernichtungskrieg, 2. Mai 1941 (2014)
Wenige Wochen vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion treffen sich deutsche Militärs und Staatssekretäre in Berlin zu einer Besprechung. Protokolliert wird hierbei der Tod von „zig Millionen Menschen“: Millionen Menschen werden verhungern, „wenn von uns das für uns Notwendige aus dem Lande herausgeholt wird.“ Die Besprechung vom 2. Mai 1941 wird gemeinhin als Hungerplan-Konferenz bezeichnet, vergleichbar der Wannsee-Konferenz, auf der ein dreiviertel Jahr später der Tod aller europäischen Juden geplant wurde.
Ein Dokumentar-Theater-Projekt zu eben jener Wannsee-Konferenz war die erste Arbeit des Historikerlabors. Auf der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kunst befindet sich die komplette Trilogie des Labors mit dem Titel „Die Erfindung und Vernichtung des Untermenschen. Der organisierte Mord an Juden, Slawen, Sinti und Roma durch NS-Deutschland.“
Am 2. Mai 1941 skizzierte die deutsche Ministerialbürokratie die wirtschaftliche Neuordnung Europas: die russische Industrie wird zerschlagen, russische Rohstoffe und Agrarprodukte gehen an die Wehrmacht und ins deutsche Reich. Der politische und rassische Krieg gegen die Sowjetunion war somit auch ein Eroberungs- und Raubkrieg im Sinne der NS-Lebensraum-Ideologie: ein Europa vom Atlantik bis zum Ural als ein wirtschaftlich autarker Großraum unter deutscher Führung.
Das Historikerlabor richtet wieder den Blick auf die mittlere Führungsriege, in der Staatssekretäre aus verschwommenen Visionen handfeste Politik machen. Erneut beschäftigt sich zunächst jeweils ein Historiker mit einer historischen Figur, um schließlich als darstellender Historiker selbst auf die Bühne zu kommen. In einem zweimonatigen Arbeits- und Probenprozess entsteht ein Text aus Originalquellen und Kommentaren, dessen Inszenierung aus einem wissenschaftlichen Experiment ein Dokumentar-Theaterstück werden lässt.
Einen zusätzlichen Schwerpunkt bilden die Opfer der Hungerpolitik. Zeugnisse der sowjetischen Kriegsgefangenen finden ebenso Eingang in den Text wie die der Blokadniki, der Bevölkerung des belagerten Leningrads. Aus dem heutigen St. Petersburg, aus Minsk und Kiew kommen Zeitzeugen nach Berlin – und werden Teil des Dokumentar-Theater-Projektes.
Die Uraufführung von „Die Hungerplan-Konferenz – die Neuordnung Europas und der Vernichtungskrieg“ findet am 2. Mai 2014 statt, im Kapitulationssaal des Deutsch-Russischen Museums. An diesem historischen Ort ging der 2.Weltkrieg in Europa zu ende, dort wurde in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet. Der historische Ort in Berlin-Karlshorst steht aber nicht nur für das Ende des Krieges, sondern auch für seinen Anfang, seine Vorbereitung. Im Frühjahr 1936 wurde ebendort mit den Bauarbeiten für die Pionierschule 1 der deutschen Wehrmacht begonnen – als die deutsche Führung den ersten Weltkrieg mit einem zweiten doch noch siegreich beenden wollte.
Historiker_innen/ Darsteller_innen: Ingrid Damerow, Dr. Tina Heidborn, Lore Kleiber, Olaf Löschke, Dr. Ralf Meindl, Tillman Müller-Kuckelberg, Stefan Paul-Jacobs, Hannes Riemann, Eike Stegen, Frank Zwintzscher und ferner Dr. Jens Peters
Kulturelle Bildung: Tobias von Borcke, Andreas Mischok
Filmaufzeichnung: Adrian Keindorf
Dramaturgie: Dr. Kalliniki Fili
Projektleitung und Regie: Christian Tietz
Fotos: Ernst Kaczynski
Mit freundlicher Förderung durch: Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, Heinz und Heide Dürr Stiftung, Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung, Rosa-Luxemburg-Stiftung
Tillman Müller-Kuckelberg, 2014 Historiker, Soziologe, Politikwissenschaftler, Berlin.
Hannes Riemann, 2014 Historiker für Zeitgeschichte, Potsdam.
Ingrid Damerow, 2014 Osteuropa-Historikerin und Slawistin, Berlin.
Stefan Paul-Jacobs (r) / Frank Zwintzscher (l), 2014 Historiker / Masterstudent der Wissenschafts- und Technikgeschichte, Leipzig / Berlin.
Eike Stegen, 2014 Historiker, Berlin.
Dr. Ralf Meindl, 2014 Historiker, Berlin.
Dr. Tina Heidborn (r) / Lore Kleiber (l), 2014 Historikerin / Politologin, Berlin.
Olaf Löschke, 2014 Historiker, Berlin.